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Zahlen wir wirklich faire Preise?

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Martin Elwert

Ein Beitrag von Martin Elwert in der Kategorie #News vom 26. Oktober 2018

Die letzten Wochen habe ich viel über die Preise nachgedacht, die wir als Coffee Circle unseren Rohkaffee Partnern bezahlen. Grund ist die alarmierende Entwicklung des Weltmarktpreises für Kaffee, der im September das erste Mal seit über 10 Jahren unter die Marke von 1 USD/lb (Pfund) gefallen ist. Der Weltmarktpreis für Kaffee hat zwischenzeitlich ein beunruhigendes Tief erreicht. Zwar ist der Weltmarktpreis losgelöst von den Preisen, die wir bezahlen – dennoch trifft der Weltmarktpreis unsere Partner weltweit hart.

Was ist der Weltmarktpreis? Der Weltmarktpreis ist ein Durchschnittspreis über alle weltweit gehandelten Kaffees, z. B. der Sorte Arabica, unabhängig von Qualität, Ursprungsland und Herstellungskosten. Das heißt, es sind dort sowohl Kaffees enthalten, die zum Beispiel in Brasilien effizient, weil maschinell, auf hoch produktiven Kaffeeplantagen geerntet werden, als auch der Kaffee von äthiopischen Kleinbauern, die alte, unproduktive Kaffeebäume in ihren Gärten stehen haben und diese mit der Hand abernten.

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Warum ist der Weltmarktpreis für Kaffee so gesunken?

Grundsätzlich sind die Gründe für Preisschwankungen im Kaffeehandel vielschichtig und nicht ganz einfach zu erklären. Lassen wir den Einfluss von Hedgefonds und deren Wetten auf steigende und fallende Preise außer Acht, ist der Kerntreiber ganz klassisch das Angebot und die Nachfrage nach Kaffee. Das bedeutet, wenn wir eine starke Ernte haben, ist viel Kaffee vorhanden und der Preis sinkt. Bei der Befürchtung einer knappen Ernte, steigt der Preis.
Aktuell sehen wir eine jährlich wachsende weltweite Überproduktion von Kaffee. Laut der International Coffee Organization ist der internationale Verbrauch von Kaffee mit 162 Millionen bags, im Vergleich zum Vorjahr, um ca. 1,8 % gestiegen. Die Kaffeeproduktion übersteigt diesen Wert aber um 2,6 Millionen bags. (Kaffeebohnen werden in “bags” gehandelt, dabei enthält ein bag 60 kg grüne Kaffeebohnen). Dieses Überangebot senkt den Kaffeepreis.

Update März 2019

Welchen Beitrag leisten wir mit den Preisen, die wir für unseren Rohkaffee an die Farmer und Kooperativen bezahlen? Dafür müssen wir herausfinden, wie hoch die Produktionskosten des Kaffees für die Farmer sind. Dazu war ich in Agaro, West-Äthiopien, und habe Interviews mit Kaffeefarmern geführt.

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Was bedeuten die sinkenden Preise für unsere Partner?

Da wir nur einen Teil der Ernte unserer Partner aufkaufen, wird das restliche Volumen über andere Wege vertrieben. Oft wird dieser Restbestand über lokale Börsen, die mit den Weltmarktpreisen korrelieren, verkauft, obwohl der Spezialitätenkaffee mit einem weitaus höheren Aufwand produziert wird. Damit fällt die Mischkalkulation der Kooperative am Ende der Ernte deutlich schlechter aus. Bei aktuellem Weltmarktpreis führt das dazu, dass die Produktionskosten von Kaffee höher sind als der Preis, den die Farmer dafür erhalten. Das ist alarmierend, da Kaffee für Millionen von Farmern und deren Familien die Lebensgrundlage darstellt.

Den Weltmarktpreis als Vergleichswert für eine faire Bezahlung heranzuziehen, ist grundlegend falsch. Warum?

Die Produktionskosten pro Land sind so unterschiedlich, dass wir nicht wissen, ob wir den äthiopischen Farmer fair entlohnen, obwohl wir das Vierfache des Weltmarktpreises an ihn bezahlen. Mit dieser Problematik sind wir nicht alleine. An dieser Stelle bleibt auch die Specialty Coffee Szene, bei der insbesondere der transparente Handel sowie faire Löhne für Kaffeebauern im Vordergrund stehen, bis heute eine Antwort schuldig. Bei allen “direct trade”, “farm gate”, “fair xyz” Versprechen, kenne ich keinen Röster, der 100 % sicher sein kann, dass er einen wirklich fairen Preis bezahlt. Es sei denn, er baut selber Kaffee an und kennt daher seine Produktionskosten.

Auch wenn wir selbst den Vergleich zum Weltmarktpreis oft genutzt haben, da er leicht verständlich ist, fühlen wir uns damit zunehmend unwohl. In der Regel hört die Transparenz beim Einkaufspreis (FOB Preis = Free on Board) auf. Dieser wird dann mit dem Weltmarktpreis verglichen.

Der Weltmarktpreis ist kein valider Vergleichswert, um daraus eine faire Bezahlung abzuleiten. Die Tatsache, dass es der bis heute beste Referenzpunkt ist, den wir in Bezug auf faire Preise haben, reicht mir nicht mehr aus.

Aus diesem Vergleich jedoch abzuleiten, dass ein x-facher Weltmarktpreis dann fair ist, ist ähnlich irreführend bzw. schlicht falsch, wie zu behaupten, Fair Trade sorgt für faire Preise. Die zugrunde liegende Problematik ist dabei die Gleiche: Der Vergleich mit einem weltweiten Durchschnittspreis, ohne dabei die Produktionskostenunterschiede einzelner Länder zu berücksichtigen. Das Einzige, was wir daraus ableiten können ist, dass wir fairer bezahlen als der Weltmarkt, aber nicht, ob der Preis, den wir zahlen, wirklich gerecht ist – ergo ob der Preis über den Produktionskosten liegt. Für Coffee Circle heißt das, dass wir beginnen werden sicherzustellen, dass die Preise, die wir zahlen, mit Sicherheit höher sind als die Produktionskosten unserer Partner.

Das ist eine Mammutaufgabe, da selbst unsere Partnerkooperativen und Kaffeebauern ihre Produktionskosten nicht kennen. Wenn wir das nicht gemeinsam herausfinden, ist Specialty Coffee am Ende gegebenenfalls nicht die Lösung aus der Armut, sondern der Weg in diese hinein. Und das wäre das Gegenteil von dem, wofür wir mit Coffee Circle angetreten sind.

☝ 2017 lag der durchschnittliche Einkaufspreis unserer Kaffees bei 100 % über dem Weltmarktpreis. Doch was genau sagt dieser Wert eigentlich aus?

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Transparent Trade Coffee Movement

In jüngster Vergangenheit hat sich unter Kaffeeröstern eine Aktionsgruppe mit dem Namen Transparent Trade Coffee (TTC) um das „transparent trade coffee movement“ im Spezialitätenkaffee Bereich gebildet. In dieser Bewegung teilen Röster ganz transparent ihre Einkaufspreise für ihre Kaffees, mit dem Ziel, ihre Kunden für das Thema zu sensibilisieren und den Produzenten Referenzpreise für Kaffees zu liefern. Hier wird der so genannte „Return to origin“ (RTO) betrachtet. Dabei geht es darum, wie viel Prozent des Verkaufspreises des gerösteten Kaffees im Vergleich zum Einkaufspreis des Rohkaffees im Ursprung bleibt. Ein Beispiel: Wenn wir für unseren Limu Kaffee in Äthiopien im Einkauf 3,10 $/lb bezahlt haben, wäre der RTO ca. 30 %. Bei unserem kolumbianischen Sierra Nevada Kaffee wäre der RTO für 2,50 $/lb bei ca. 23 %. Grundsätzlich ist diese Aktionsgruppe ein Schritt in die richtige Richtung, da es freiwillig für mehr Transparenz sorgt. Allerdings ist der RTO bei dem internationalen Vergleich unterschiedlicher Röster, die unterschiedliche Kosten haben, kein guter Vergleichsindikator. Hinzu kommt, dass sich die Kaffeeregionen grundlegend unterscheiden, was die Vergleichbarkeit zunehmend komplexer macht.

Was können wir dagegen tun?

Als Coffee Circle werden wir weiterhin Preise zahlen, die weit über dem Weltmarktpreis liegen. Doch das allein reicht nicht mehr aus. Um sicherzustellen, dass Kaffee unseren Partnern eine Perspektive bietet und dass wir faire Preise zahlen, müssen wir einen Schritt weiter gehen und die Produktionskosten unserer Partner ermitteln.

Die Produktionskosten umfassen alle auftretenden Kosten, die der Farmer trägt, bis er seine frisch geernteten Kaffeekirschen an (s)eine Kooperative verkauft, wo die Kaffeekirschen vieler Farmer gewaschen und getrocknet werden. Diese Kosten sind schwer zu erfassen, da wir nicht wissen, welche Arbeitskosten und Instandhaltungskosten über das Jahr hinweg für den Farmer anfallen.

Aktuell sind wir dabei, ein Projekt in Äthiopien aufzusetzen, um das erste Mal die realen Produktionskosten unserer Partner abzubilden. Soweit wir wissen, hat das dort noch nie jemand zu 100 % erhoben. Über Hinweise sind wir dankbar. Die Ergebnisse dieses Projektes sollen uns dann zeigen, was wir unter den lokalen Bedingungen zahlen müssen, um unsere Partner wirklich fair zu entlohnen. Nur so können wir sichergehen, dass unsere Partner in Specialty Coffee zurecht eine Perspektive sehen.

Wir hoffen, dass wir das Projekt bereits in der kommenden Ernte starten können. Ist der Pilot erfolgreich, werden wir diesen Ansatz Schritt für Schritt ausweiten. Wir werden euch auf dem Laufenden halten. Drückt uns die Daumen, dass es klappt!

Unsere Leseempfehlungen zu dem Thema

Teil 2: Wir sind auf dem Weg herauszufinden, welche Wirkung die Preise haben, die wir für unsere Kaffees zahlen!

Martin Elwert

Martin Elwert

Martin ist seit 2010 Gründer und Geschäftsführer von Coffee Circle. Martin treibt die Vision des Unternehmens voran und ist für die Umsetzung unserer Projekte in den Anbauländern verantwortlich.