Kaffeebohnen-Dichte: Was ist das und (warum) ist sie wichtig?
Jedes Ding, jedes Teil auf diesem und — Spoiler — jedem anderen Planeten hat eine bestimmte Dichte. Somit auch Kaffeebohnen. Allerdings kann eine Arabica-Bohne eine andere Dichte aufzeigen als eine Robusta-Bohne, eine Limu-Bohne eine andere als eine Yirgacheffe-Bohne, eine in 2.000 Metern Höhe gewachsene Bohne eine andere als eine in 1.500 Metern Höhe gepflanzte. Ist das nur für Physiker interessant oder auch für dich als Konsument?
Physikstunde, Freitag 21.01.2022. 9:15 Uhr
Heute beschäftigen wir uns mit der Dichte von Kaffeebohnen. Wie kann man sie ermitteln, und welchen Nutzen kann man daraus ziehen? Am Ende der Stunde gibt es einen kleinen Test. [Allgemeines Stöhnen geht durch die Bänke.]
Die (in kg/l [rho] angegebene) Dichte einer rohen Kaffeebohne wird von verschiedenen Kriterien bestimmt. Allerdings gibt es keinen Konsens in der Wissenschaft, wie schwer diese verschiedenen Faktoren wiegen. Zwar geht man davon aus, dass bestimmte Provenienzen und Höhenlagen zu unterschiedlichen Dichten tendieren. Zum Beispiel sind Bohnen, die in höheren Gebieten angebaut werden, dichter als Bohnen, die in niedrigeren Regionen gepflanzt wurden. Allerdings ist dies nicht immer der Fall, da auch die Spezies und Varietät der Bohne, die Beschaffenheit der Erde und Niederschläge eine Rolle spielen können.
“Wirkt sich die Dichte einer Bohne denn auf den Geschmack des Kaffees aus?”
Nein, das kann man so nicht sagen, denn der Geschmack eines Kaffees wird von zahlreichen Faktoren bestimmt. Die Sorte, die Region, die Bodenbeschaffenheit, Witterungsbedingungen, Verarbeitung, Rösttemperatur, Mahlgrad spielen da beispielsweise mit rein. Die Dichte wiederum wird stark durch die Art der Röstung beeinflusst.
Wenn ein Rohkaffee über eine hohe Dichte verfügt, bedeutet dies, dass die Zellstruktur kompakter ist als jene von Kaffee mit geringerer Dichte. Meist können geübte Augen schon den Unterschied erkennen: Eine Bohne mit einem engeren Schnitt in der Mitte hat mit großer Wahrscheinlichkeit eine höhere Dichte als eine mit einem offeneren Schnitt. Erstere wirkt zusammengedrückter als zweitere, auch wenn beide dasselbe Gewicht auf die Waage bringen mögen. Eine kleinere Bohne kann genau so viel wiegen wie eine größere, wenn erstere über eine höhere Dichte verfügt als die zweite.
Als Faustregel gilt: Für Kaffee mit hoher Dichte muss beim Rösten mehr Energie aufgewendet werden als für Kaffee mit geringer Dichte, um in die Zellstruktur zu gelangen. Beim Rösten verringert sich die Dichte, da der Bohne unter anderem Feuchtigkeit entzogen wird. In einer Bohne befindet sich gebundenes und freies Wasser. Während des Röstprozesses verdampft es. Die Bohne wird auch durch die Bildung von CO2 und CO „aufgepustet“. Demnach verfügen heller geröstete Bohnen über eine höhere Dichte als dunkler geröstete.
“Wie messen wir denn die Dichte einer Kaffeebohne?”
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Physiker und andere Wissenschaftler nutzen zur Bestimmung der Dichte eines Festkörpers einen sogenannten Pyknometer. Der hält fest, wie viel Flüssigkeit durch den hinzugefügten Körper verdrängt wird.
Röster berechnen üblicherweise nicht die Dichte einer einzelnen Bohne, sondern ziehen für die Röstung die “bulk density” heran, die Schüttdichte. Diese ist vergleichsweise einfach zu bestimmen: Hierbei wird ein Gefäß mit definierten Volumen (z.B. ein Liter) bis zum Rand mit Rohkaffee gefüllt. Anschließend wird ermittelt, wie viel diese Schüttung in dem definierten Volumen wiegt. Die reelle Dichte beträgt meist einen Wert von über 1 kg/l, ist somit schwerer als Wasser. Die Schüttdichte liegt meist darunter, unter 1 kg/l.
“Ist das wichtig zu wissen?”
Das kommt auf die Röster:innen an, auf Vorlieben und Erfahrungswerte. Erfahrene Röster:innen wissen, dass sie beispielsweise für einen gewaschenen kenianischen Kaffee mehr Energie aufwenden müssen, als für einen “natural” Kaffee aus Brasilien. Die ermittelten Werte für die Schüttdichte sind tatsächlich von geringerem Nutzen.
“Ich meinte: Müssen WIR das wissen?”
Achso. Nein. Allerdings erklärt die Dichte der gerösteten Bohne einige interessante Nebensächlichkeiten: Hell geröstete Bohnen — das heißt Bohnen mit höherer Dichte — sind, wenn wir den Mahlgrad für dieses Gedankenexperiment außen vor lassen, schwerer zu mahlen als dunkel geröstete Bohnen. Schließlich muss bei ersteren aufgrund der härteren, kompakten Struktur mehr Energie aufgewendet werden. Sie sind zäher.
Wenn ihr aufgepasst habt, dürfte es euch auch nicht überraschen, dass sich die Bohne mehr aufbläht, je dunkler sie geröstet ist. In der Kaffee-Verpackung brauchen sie ergo mehr Platz. Eine Packung Grano Gayo — der dunkel geröstet ist — ist bis zum Rand voll. Eine Packung Rungeto — der sehr hell geröstet ist — ist nur knapp bis zur Hälfte gefüllt, wiegt aber genau so viel. Daher solltet ihr nicht sofort einen Beschwerdebrief an einen Kaffeeröster schreiben, wenn ihr die Packung aufmacht, sie aber nicht bis oben hin gefüllt ist.
Ausgewählte Kaffees und Espressos
Jetzt machen wir einen kleinen Test, um zu sehen, was von alledem hängen geblieben ist.
Frage 1:
Bohne A ist kleiner als Bohne B, wiegt aber genauso viel. Woran liegt das?
a) Bohne A hat eine höhere Dichte als Bohne B
b) Bohne B hat eine höhere Dichte als Bohne A
c) Bohne B hat eine geringere Dichte als Bohne A
Frage 2:
Bohne A und Bohne B haben denselben Ursprung, stammen von derselben Sorte und derselben Lieferung Rohkaffee. Bohne A wurde kürzer und mit geringerer Temperatur geröstet als Bohne B. Was folgt daraus?
a) Bohne A hat nach dem Rösten eine geringere Dichte als Bohne B
b) Bohne B hat nach dem Rösten eine geringere Dichte als Bohne A
c) Bohne A und Bohne B haben nach dem Rösten die selbe Dichte
Frage 3:
Beim Rösten wird der Bohne…
a) Feuchtigkeit entzogen
b) Feuchtigkeit hinzugefügt
c) Der Feuchtigkeitsgehalt bleibt gleich
Die Antworten:
Frage 1:
Antwort a) und Antwort c)
Frage 2:
Antwort b)
Frage 3:
Antwort a)